Die Angst, dein bester Freund beim Surfen

Die Angst, dein bester Freund beim Surfen

Du hast doch nicht etwa Angst… den steilen Drop zu nehmen, …bei diesen Bedingungen rauszugehen, …die Welle anzupaddeln? Haben coole Surfer überhaupt Angst? Und wenn ja, dürfen Sie darüber reden? Wer die vorangegangenen Interviews unserer Big-Wave Reihe gelesen hat, der dürfte eine Vermutung haben, wie die Antwort lautet. Von Extremsportlern können wir Dinge lernen, die durchaus das Potential haben unser Leben zu verändern.

Keine Sorge, in diesem Beitrag gibt es keine Westentaschen-Psychologie! Ich möchte bloß einige Beobachtungen, die ich bei einer Reihe ziemlich beeindruckender Menschen gemacht habe, kundtun und die System zu haben scheinen. Eventuell ist das, was ich hier schreibe für dich ein No-Brainer, für mich war es aber eine ziemlich einschlägige Erkenntnis, die mir sehr weitergeholfen hat. Vielleicht hilft Sie ja auch dir?!

Angst ist oft ein  Tabu-Thema, auch unter Surfern

In unserer Gesellschaft wird mit dem Thema Angst nur sehr begrenzt offen umgegangen, zumindest was die eigenen Ängste angeht. Die werden oft verschwiegen und verdrängt. Man will ja schließlich nicht als Feigling angesehen werden oder gar mit einer krankhaften Angststörung in Verbindung gebracht werden. Ich wollte das jedenfalls nie und bin immer ganz gut mit der Verdrängungs-Strategie gefahren.

Das Problem bei der Verdrängung: Diese Strategie hat eine Grenze, die nur sehr schwer zu verschieben ist und die häufig und auf ungünstige Weise auf einen Schlag überschritten wird. Und wenn das Kartenhaus erstmal zusammengebrochen ist, macht sich im ungünstigsten Fall Panik breit, Handlungen werden kopflos  und Entscheidungen schlecht. Im günstigeren Fall habe ich mir vorher eine Ausrede konstruiert, die mich davor bewahrt hat mich überhaupt in eine Situation zu begeben, in der ich die Kontrolle verlieren könnte. Für mich war das so eigentlich in Ordnung und ich hatte keinen konkreten Anlass daran etwas zu ändern. Doch dann bin ich eher zufällig auf etwas gestoßen.

Haben Big-Wave Surfer keine Angst?

Zum Glück gibt es nämlich eine bessere Alternative als Verdrängung, die ich mir von meinen Vorbildern abgucken konnte. Wen hätten wir denn da? Zum Beispiel Big-Wave Surfer Mark Visser, mit dem ich das erste Interview für die Going-Big Serie geführt hatte. Dabei hat er sich selbst als sehr kalkuliert beschrieben und in einem früheren Fernsehinterview hatte er sogar mal gesagt:

„Every single time I go I’m still just terrified. It’s not the kind of place you would ever go and feel comfortable.“

Irgendwie ergab sich da so gar nicht das Bild des waghalsigen Draufgängers, das ich erwartet hatte. Er hat also (1) jedes einzelne Mal, wenn er auf der Jagd nach den richtig großen Wellen ist, Angst. Und (2): Er macht keinen Hehl daraus und (3): Er geht trotzdem!

Es gibt Orte, an denen es einfach nicht angebracht ist, KEINE Angst zu haben – sagt zumindest Big Wave Surfer Mark Visser.

Als damals noch unbewusster Anhänger der Verdrängungs-Strategie gab mir das doch ziemlich zu denken und ich entschloss mich zu diesem Thema intensiver zu forschen. Als ich im folgenden Interview der Going-Big Reihe Nazare-Challenge Gewinner Jamie Mitchell zum Thema Angst befragte, sagte er, ich müsse die Angst respektieren und verstehen, dann müsste ich Sie im entscheidenden Moment nicht fürchten.

Der Angst ins Auge sehen, statt sie zu leugnen

Die Angst verstehen und nicht fürchten? Ich dachte man hat sie oder nicht… Irgendwie schienen diese Leute einen ganz anderen Ansatz zu fahren als ich. Also schaute ich weiter, was Surf-Legende und Big-Wave Pionier Laird Hamilton dazu zu sagen hat. Der ist zwar nicht so leicht für ein Interview zu gewinnen, hat aber zum Glück ein Buch Namens „Force of Nature“* veröffentlicht, in dem er seine gesammelten Surf- und Lebensweisheiten preisgibt.

*Und auch hier spielte das Thema Angst wieder eine große Rolle.  Laird schreibt z.B.: „Every so often, in an article or an interview, someone describes me as “fearless”. In my opinion, that’s like calling me an idiot.“ – Keine Angst zu haben ist in seinen Augen also sogar idiotisch. Weiter heißt es: „If you respect fear, face it straight on and act anyway.“ Damit wurde das Bild für mich langsam klarer. Das ist also der Unterschied… Ich soll meine Angst nicht leugnen und verdrängen, sondern ihr ins Auge schauen und trotz Angst handeln! Das war aber noch nicht das Ende.

Der Titel dieses Beitrags „Die Angst, dein bester Freund“*, stammt von einem Buch von Alexander Huber. Wer ihn nicht kennt: Alexander ist, genau wie sein älterer Bruder Thomas, Extremkletterer, spezialisiert auf die Variante „Free Solo“. Das heißt nichts anderes, als dass er ohne Sicherung und ohne Unterstützung 1000m Steilwände hochklettert. Ein falscher Tritt und es ist vorbei.

Das hört sich nicht bloß mutig, sondern beinahe wahnsinnig und furchtlos an. Und so jemand schreibt ein Buch über Angst, bzw. mehr noch, die Wichtigkeit von Angst? Für mich war das Buch von Alexander Huber das letzte Puzzlestück. Mir wurde erstmals überhaupt klar, dass ich beim Thema Angst ständig auf Verdrängungskurs war.

*

Nur wer seine Angst akzeptiert, kann sie kontrollieren

Abgesehen von der Tatsache, dass Alexander Huber ein ganzes Buch nur über dieses eine Thema geschrieben hat, war es vor allem auch seine Wortwahl, die bei mir zu einem Aha-Erlebnis führte. Statt vom Respektieren spricht er vom Akzeptieren. Angst ist eine völlig natürliche Emotion, die jeder irgendwann empfindet. Wer dies nicht tut leidet unter einer psychischen Beeinträchtigung. Es bleibt nichts anderes, als dies als Tatsache zu akzeptieren.

Der nächste Schritt ist dann zu lernen seine Angst zu kontrollieren und – wie Laird Hamilton festgestellt hat – trotzdem zu handeln! Die Akzeptanz ist dabei notwendige Voraussetzung für die Kontrolle, denn etwas, von dem ich so tue, als ob es es nicht geben würde, kann ich nicht kontrollieren.

Wie eingangs gesagt, für den einen oder anderen von euch mag das nichts Neues sein. Für mich und vielleicht auch für den ein oder anderen von euch, ist dies aber eine sehr wertvolle Erkenntnis, die für mich auch jenseits des Surfens sehr nützlich geworden ist. Vom Lampenfieber bis zur Prüfungsangst gibt es im alltäglichen Leben viele Situationen, in denen der Ansatz „akzeptieren und kontrollieren“ die erfolgreichere Variante ist und man fühlt sich damit irgendwie weniger gefangen in seiner Komfortzone.

Wie wirkt sich der Umgang mit der Angst beim Surfen aus?

Dieser neue Mindset ist bei mir im Kopf auf jeden Fall recht gut angekommen. Beim Surfen bin ich kalkulierter geworden. Ich gehe aber nicht, wie man vielleicht erwartet, weniger Risiken ein. Das Gegenteil ist der Fall, weil ich im Zweifelsfall nochmal abwäge, ob ich ein treffendes Bauchgefühl habe oder es doch bloß eine unbegründete Angst ist, die sich breitgemacht hat.

Die Tendenz eine Situation zu „rationalisieren“ ist dadurch größer geworden. Ich rede mir nicht mehr ein keine Angst zu haben, sondern analysiere, wovor ich Angst habe. Strömungen? OK – ich kenne den Spott und weiß wo und wie sie verlaufen. Das Brett verlieren? OK – ich bin ein guter Schwimmer und komme im Zweifelsfall  auch ohne Brett an Land. Ein längerer Hold-Down? Das kenne ich vom Wasserball und Unterwassertraining. Die Welle ist zu schnell für mich? Mag sein, aber ich kann ja zunächst einen Take-Off von der Schulter probieren.

Was ist deine Meinung zu diesem Thema? Hast du schon mal ähnliche Erfahrungen gemacht?

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Über den Autor

Dennis

Gründer von landratten.org. - Versucht seit 2005 seinen Mangel an Talent beim Surfen zu überwinden :-)

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