Haie oder Kokosnüsse – Was ist gefährlicher?

Hammer-Hai

Das Meer kann ein gefährlicher Ort sein. Wenn wir uns hinein begeben, müssen wir uns von einem Moment auf den nächsten in der Nahrungskette wieder hinten anstellen. Haie stehen ganz oben auf der Liste der Meeresbewohner, die uns Angstschweiß auf die Stirn treiben. In bestimmten Regionen berichten die Medien immer wieder über tödliche Hai-Attacken. Aber wie real ist die Gefahr von einem Hai angegriffen zu werden wirklich? Mir persönlich hat es geholfen, dass ich mich schon vor Jahren intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt habe. 

Ich gebe zu, als ich mich im Jahr 2005 an der Queensland University of Technology in Brisbane, Australien eingeschrieben habe, spielten professionelle und karrieretechnische Überlegungen keine tragende Rolle. Als chronisch klammer Student hatte ich gerade die wunderbare Welt des Auslands- Bafögs entdeckt, welche mir armen Schlucker ein Flugticket ans andere Ende der Welt ermöglichen würde. Um aus dieser einmaligen Chance das Maximum rauszuholen, widmete ich mich einem intensiven Studium von Klimadiagrammen und Landkarten, mit dem Ergebnis, dass ich im Atlas ein Kreuzchen an eine strategisch günstige Position zwischen Gold- und Sunshine Coast gemacht habe. Genau da lag Brisbane.

Ein paar Semester im Ausland tun dem Lebenslauf immer gut, ob nun an der Universität X oder Y wird da schon nicht den Unterschied machen. Letztlich war das für mich nur Beiwerk, denn mein eigentliches Ziel war ein anderes: Surfen lernen!

Als ich schließlich in Down Under angekommen war, hat es mich stets verwundert, dass nicht jeder der zahlreichen internationalen Studenten an meiner Uni das gleiche Ziel verfolgt wie ich. Ignoranten! Nichts als Lernen und Saufen im Kopf! Aber warum nur? Diese Frage musste sich jeder Wellenverweigerer von mir gefallen lassen. Und es gab eine Top- Antwort: Wegen der Haie!

Die Hai-Kokosnus-Anekdote

Haie sind gefährlich. Ich hätte panische Angst wenn einer vor mir auftauchen würde. Dennoch habe ich mich regelmäßig in die Fluten gestürzt. Nicht weil ich lebensmüde bin, sondern weil ich Zahlen und Statistiken liebe. Beim Googlen (Goolge gab es damals auch schon…) war ich auf einen Welt Artikel  gestoßen, welcher die Interessante Behauptung aufstellt, dass jedes Jahr mehr Menschen durch herabfallende Kokosnüsse sterben, als durch Haiangriffe. Im Jahr 2001 hat es demnach weltweit 150 Tote durch herabfallende Kokosnüsse gegeben, während es nur 5 tödliche Haiangriffe gab (Insgesamt 76). Mit dieser Statistik- Anekdote ausgerüstet bin ich dann losgezogen um mir selbst und anderen Mut zu machen, wenn es in unbekannte Gewässer ging.

Das ISAF: Haiangriffe in der Statistik

Woher kommen solche Statistiken eigentlich? Was die Kokosnüsse angeht, so muss ich die Antwort leider schuldig bleiben. Die Hai Statistiken werden im ISAF (International Shark Attack File) gesammelt, welche vom Florida Museum of Natural History (FLMNH) und der American Elasmobranch Society verwaltet werden. Das ISAF wurde 1958 ins Leben gerufen und beinhaltet Untersuchungen von Haiangriffen ab Mitte des 16. Jahrhunderts. Auf der Internetseite des FLMNH sind alle gesammelten Daten für jedermann frei zugänglich. Und so schlimm die einzelnen Fälle sind, die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: Haie stellen für Wassersportler nur eine äußerst geringe Gefahr dar. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass zwischen „provoked“ und „unprovoked shark attacks“, also provozierten und unprovozierten Angriffen unterschieden wird. Die in den Medien zitierten Zahlen beinhalten in der Regel nur die unprovozierten Angriffe. Provozierte Angriffe betreffen Situationen, in denen Bewusst Kontakt mit einem Tier hergestellt wurde, z.B. wenn ein Taucher versucht einen Hai zu streicheln, oder jegliche Vorfälle in künstlichen Aquarien. Vielleicht etwas unpassender Weise erfasst die Statistik zudem bei den provozierten Haiangriffen Fälle, in denen ein Hai einen bereits toten Menschen gebissen hat. Werden die provozierten Mensch- Hai Interaktionen hinzugezogen, verdoppelt sich die Anzahl der Vorfälle beinahe. So gab es 2014 insgesamt 130 Fälle, von denen 72 als unprovoziert eingestuft wurden. Da ich nicht vorhabe einen Hai zu umarmen macht das aber für mich keinen Unterschied.

Regionale Unterschiede bei Haiangriffen

Betrachtet man die regionale Verteilung von Haiangriffen, werden starke Unterschiede deutlich. So sind Australien und Nordamerika z.B. absolute Hotspots, während es z.B. in Europa oder Indonesien nur extrem selten zu Zwischenfällen kommt. Erstaunlich finde ich dabei, dass der Mittelmeerraum in Europa am häufigsten betroffen ist. Italien und Griechenland waren mit 13 bzw. 14 Haiangriffen seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1847 mit Abstand am häufigsten betroffen. Grund mag hier vielleicht auch die höhere Anzahl von Badenden und nicht die weitere Verbreitung von Haien sein.

Grundsätzlich gibt es Gegenden, in denen die Möglichkeit von Haiangriffen ernst genommen werden muss. In den USA, Australien und Neuseeland gibt es Strände, an denen bei Sichtung eines Hais ein Alarm ausgelöst wird und teilweise werden Strände bei vermehrten Hai-Sichtungen auch komplett gesperrt. An Orten wo sich regelmäßig Haie aufhalten, werden zudem Warnschilder aufgestellt. Ohne derartige Sicherheitsmaßnahmen sähe die Statistik vielleicht deutlich schlechter aus.

Gefährliches Meer

Haie sind aber nur eine der Gefahren, die im Meer lauern. Verschiedenes anderes Getier wie Seeschlangen, Barrakudas oder Quallen können Landratten auch in akute Angstzustände versetzen. Statistisch betrachtet stellen aber auch diese keine besonders große Gefahr dar. Die mit Abstand größte Gefahr wird jedoch meistens unterschätzt: Gefährliche Strömungen. In den 10 Jahren von 2004-2013 hat es allein in den USA 341.294 Rettungseinsätze und 361 Todesfälle im Zusammenhang mit Meerströmungen gegeben, während es nur 8 Tote durch Haiangriffe gab. Immer wieder beobachte ich leichtsinnige Urlauber, die sich ohne jegliche Sicherung in die Brandung begeben und keinerlei Bewusstsein dafür haben, dass sie sich potentiell in Lebensgefahr begeben. Seit ich im Jahr 2005 mit dem Surfen angefangen habe, musste ich 3 Schwimmer aus dem Wasser retten, weil diese sich jeweils leichtsinnig bei starker Brandung ins Meer begeben haben. Fast jeder Surfer kann von solchen Erfahrungen berichten und diese landen in der Regel nicht mal in der Statistik, weil keine offiziellen Rettungskräfte beteiligt sind. Solche Aktionen bergen auch für Helfer kaum kalkulierbare Risiken, so dass man mit derartigem Verhalten nicht nur sich, sondern auch andere gefährdet.

Woher kommt die scheinbar irrationale Angst vor Haien?

Wieso haben viele Menschen große Angst vor etwas sehr Unwahrscheinlichen (Haiangriff), während Sie hochgradig reelle Risiken (Etrinken, Strömung) hinnehmen? Zum einen ist da sicher der Faktor des Unbekannten und des Unsichtbaren. Wenn ich auf meinem Surfbrett sitze und auf die nächste Welle warte, habe ich einfach keine Ahnung, was unter der Wasseroberfläche passiert. Vor etwa 2 Wochen war ich mal wieder ganz alleine surfen, kein anderer war im Wasser. Etwa Mannshohe Wellen sind wunderbar und geordnet gebrochen, das Meer zeigte sich von seiner besten Seite. Ans ertrinken denkt man da nicht. Bei aller Statistik und Vernunft konnte ich mich aber einfach nicht dagegen wehren mich ständig zu fragen, was da wohl unter mir alles rumschwimmt. Rational sinnlos, aber trotzdem nicht zu verhindern.

Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann erklärt in seinem genialen Buch Schnelles Denken, langsames Denken* zahlreiche Phänomene, welche uns zu irrationalem Verhalten verleiten. So werden z.B. die Auftretenswahrscheinlichkeiten seltener Ereignisse maßlos überschätzt. Aufgrund ihrer Seltenheit fehlt uns einfach das richtige Gefühl und allein die Tatsache, dass ein Ereignis möglich ist, lässt uns vermuten, dass es auch auftreten wird. Vielleicht habt ihr auch schon mal Lotto gespielt? Die Wahrscheinlichkeit von 6 Richtigen plus Superzahl beträgt bei einem Spiel übrigens 1 zu 139.838.160, die Wahrscheinlichkeit von einem Hai angegriffen zu werden wird vom FLMNH mit 1 zu 11.500.000 angegeben, ist also mehr als 10 mal höher.

Und die Moral von der Geschicht…

Was heißt das nun? – Es ist normal, dass man sich mal unwohl fühlt, aber die Angst vor Haien sollte uns nicht vom Wasser fernhalten! Dagegen gibt es andere, realistischere Gefahren, mit denen wir uns auseinandersetzen sollten. Und wenn ihr daran glaubt den Lotto Jackpot knacken zu können, solltet ihr auf keinen Fall ins Meer gehen. Amen!

4/5 - (1 vote)

Über den Autor

Dennis

Gründer von landratten.org. - Versucht seit 2005 seinen Mangel an Talent beim Surfen zu überwinden :-)

Ein Kommentar:

…man meint ja im Mittelmeer ist man Sicher, aber da gibt es laut Wikipedia (und die müssen es ja wissen) ca. 50 Haiarten! Außerdem gibt es Barrakudas und Stechrochen (so einer hat immerhin den Krokodile Hunter getötet)! Aber am meisten Angst habe ich persönlich vor den ca. 60 dort beheimateten Grundelarten:)
Wer wissen will was laut Wikipedia im Mittelmeer noch so unter einem schwimmt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mittelmeerfische

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert